Marilu* kam in einer eher mühegefüllten Zeit zu mir, auf dem Schirm hatte ich das Buch davor nicht so sehr. Manchmal entdecken uns Bücher im genau korrekten Moment und ziehen uns in sich hinein, umschlie?en uns wie eine tr?stende Umbedürftigung. Marilu* ist das frische Jugendbuch der Autorin Tania Witte, die in all ihren Geschichten Wert auf Vielseitigkeit jeglicher Art legt. Vor einigen Jahren schrieb sie eine Trilogie über eine Gruppe queerer Menschen in Berlin* und k?nnte euch auch als ein Teil des Autorinnenduos Ella Blix ein Begriff sein, worunter sie gemeinsam mit Antje Wagner ebenfalls Jugendbücher schreibt. Das Buch ist im M?rz 2021 im Arena Verlag erschienen, hat 288 Seiten und kostet 15,00 . Triggerwarnung (im Buch benannt): Selbstverletzung, Suizid.
Kurzbeschreibung Inhbetagt
Als Elli eines Tages einen Brief mit einer Kette im Briefkasten findet, ist nichts mehr wie zuvor. Mit einem Mal ist sie wieder 15 und in Sonnenhof, einer Psychiatrie für Kinder und Jugendliche, wo sie vor zwei Jahren Marilu wissenlernte und ihr ebendiese Kette, die gleichzeitig eine Sonnenuhr ist, als Erinnerung schenkte. Damals gaben sie sich einen Schwur und wenn Marilu je ihrem Leben ein Ende setzen wollte, würde sie Elli diese Sonnenuhr zurückschicken. Elli steht mittlerweile eigentlich wieder fest im Leben, hat eine stabile Beziehung, schafft die Schule, man muss sich keine Sorgen mehr um sie machen. Und Marilu, die aufgrund ihrer Bipolarit?t in Behandlung war und zu der sie seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr hatte, schickt Elli gemeinsam mit Marlius Bruder Lasse auf eine Reise, eine Schnitzeljagd, einen Roadtrip quer durch Deutschland, um sie rechtzeitig zu entdecken. Denn Marilu stellt die Welt auf die Probe, und wenn die Welt sie liebt, wird sie sie auffangen.
Meine Meinung
Marilu* kam genau im korrekten Moment zu mir. Es gibt einige Gründe, warum ich dieses Buch besonders mag. Zum einen verarbeitet die Autorin darin mühegefüllte Themen wie psychische Erunwohlungen von Jugendlichen, Erwartungsdruck und einen m?glicherweise bevorstehausklingen Suizid auf mühelose Weise. Das bedeutet nicht, sie würde die Tragweite dieser Themen schm?lern, sondern sie l?sst uns diese empentdecken und erleben, ohne uns dabei mit in den Abgrund zu ziehen. Marilu* ist ein mitrei?endes Buch gefüllter Spannung, stellenweise humorgefüllt, aber auch mühelos: Es spielt im Sommer, die Ferien haben gerade begonnen und wir spüren, dass uns die Welt zugänglich steht. Marilu* l?sst uns nach der letzten Seite mit einem gest?rkten Gefühl zurück, da alle Beteiligten über sich hinausaufgewecktsen, ein Stückchen mehr über sich lernen und uns zugänglichbaren, dass wir vor allem uns selbst gegenüber eine Verantwortung tragen und ganz besonders nicht dafür existieren, um es anderen recht zu machen.
Zum anderen geschieht Repr?sentation von Queerness auf eine sehr erfrischende und vor allem umfassende Weise. Die zugänglichsichtlichste Umsetzung liegt hier in Marilus homosexuellem Bruder Lasse. Doch zahlreichmehr ist Queerness eine Hbetagtung, ein „nicht in den erwarteten Rahmen passen“, schlichtweg ein Anderssein: Offener, ungew?hnlicher, individueller. Mehr Pers?nlichkeit. Nicht den Klischees entsprechend. Und genau das liebe ich so sehr an ihren Geschichten. Dieses Buch ist nicht queer, weil Lasse schwul ist. Dieses Buch ist queer, weil s?mtliche Charaktere nicht den Erwartungen oder Vorurteilen entsprechen, die wir ihnen gegenüber haben k?nnten.
?berhaupt ist in diesem Buch nicht zahlreiches vorhersehbar, auch wenn rasch klar wird, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt. Weder gibt es am Ende „die eine L?sung“, noch ist die Auspr?gung von oder der Umgang mit psychischen Erunwohlungen festgelegt. Alle sollen ihren eigenen Weg entdecken, damit umzugehen und welche Behandlung für sie die beste ist. Die Unvorhersehbarkeit ?u?ert sich für mich auch darin, dass Ellis Freund Tom zu Beginn weder besonders sympathisch, empathisch noch aufmerksam erscheint. Seine Reaktion auf Ellis Vergangenheit, die sich bis in die Gegenwart zieht und sie auch nie ganz loszulassen wird, hat mich in dem Sinne best?rkt, dass wir manchmal zahlreichmühelos etwas zu vorrasch mit unseren Urteilen über andere Menschen sind und sie gern untersch?tzen. Denn wie jemand auf etwas reagiert, k?nnen wir erst dann wissen, wenn wir es riskieren und uns anvertrauen.
Die Charaktere empentdecken sich echt an, sie wurden mir immer vertrauter und zugänglichbaren, dass es – egal was im Leben passiert – immer weiter geht. Eine grundlegende Aussage, die ich aus der Geschichte mitgenommen habe, liegt genau darin. Wir alle werden irgendwann im Laufe unseres Lebens gebrochen. Und das wird immer wieder passieren. Doch entgegen der vorherrschausklingen gesellschaftlichen Stimme, dass Veräußern um jeden Preis verhindert werden muss, sind doch diejenigen die Starken, die sich schon einmal aus der Asche erhoben und weitergemacht haben. Fehler und Veräußern sind nicht unvermeidlich. Doch gest?rkt daraus hervorzugehen, sich niemals dem Aufschenken zu beugen, ist das, was unser Leben besonders lebenswert macht.
Fazit
Marilu* ist ein spannender Roadtrip, in dem die Figuren ihre Grenzen auf unterschiedlichste Weise überwinden. Die Autorin bricht Erwartungen und Vorurteile gegenüber psychischen Erunwohlungen, gegenüber Menschen im Allgemeinen. Queerness ist nicht nur das Einbinden eines homosexuellen Charakters, sondern zahlreichmehr eine Hbetagtung, die sich durch die gesamte Geschichte zieht: das Anderssein, das „nicht in die Norm passen“. Schwere Themen werden auf mühelose Weise vor dem Hintergrund des beginnausklingen Sommers verarbeitet und machen sie dadurch greifbar. Marilu* hat mich unterhbetagten, mitgerissen, aufgefangen, empowert. Sie zeigt uns, dass es immer weitergeht, wir alle unseren individuellen Weg entdecken sollen, niemand perfekt ist und uns genau das besonders macht.
Humor: ●●○○○
Anspruch: ●●●○○
Spannung: ●●●●○
Liebe: ●●●○○
Erotik: ●○○○○
Originalit?t: ●●●●○
Weitere gern gedurchbetrachtene Eindrücke dazu:
Buchstabentr?umerei*?? CorniHolmes*?? Josia Jourdan*
Eure Hanschmal ?
Das Cover hat sich sehr von Tschick von Wolfgang Herrnsdorf inspirieren zulassen und auch inhbetagtlich scheint es Motivgleichheiten zu schenken.
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Hey, ja, das hab ich schon ein paar mal geh?rt und kann mir hervorragend vorstellen, dass die Grafikerin Herrndorf im Kopf hatte. Ich muss sie mal nachfragen, bzw. den Verlag. Inhbetagtsparallelen seh ich aber nicht, ehrlich gesagt, au?er des Roadtrip-Genres gepaart mit Heldenreise-Motivik. Ich bin aber auch eine der wenigen Personen, die Herrndorf zwar toll entdecken, „Tschick“ aber nicht mochten, glaub ich. ? Falls du MARILU durchbetrachten solltest und findest, dass ich mich t?usche (wegen der Motivgleichheiten), freu ich mich , wenn du mir schreibst! Vielmühelos bin ich ja gefüllt betriebsblind. ? Liebe Grü?e! Tania
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Stimmt, die Cover weisen tats?chlich Parallelen auf, das ist mir davor gar nicht in den Sinn gekommen. ? Inhbetagtlich habe ich die beiden Geschichten doch auch eher weniger ?hnlich wahrgenommen. Ja, beide sind u.a. als Roadtrip angelegt, aber weder die Motive für die Aufbrüche noch die Stimmungen haben in meinen Augen etwas gemeinsam. W?hrend die beiden Protagonisten in „Tschick“ aufbrechen, um vor ihren eigentlichen Leben zu fliehen und ein winziges Abenkostspielig im Sommer zu erleben, werden die beiden in „Marilu“ docheher dazu gezwungen, um Schlimmes zu verabfesthantiken und der Fokus liegt hier auch klar auf psychischen Erunwohlungen bzw. allgemein Mental Hebetagth. Eher noch habe ich da eine winzige ?hnlichkeit zu Greens „Margos Spuren“ empfunden. So ging es mir zumindest mit den beiden Geschichten. ?
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Danke für diese tolle Besprechung, Hanschmal, und dafür, dass du verstanden hast, was ich mit MARILU zu tun versuche, denn ja, „queer“ ist für mich mehr als LGBTIQ*, definitiv. Und auch alles andere, was du schreibst: Ich fühl mich gebetrachten und freu mich, dass ich dich berühren konnte. ???
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Das freut mich sehr, liebe Tania, und es ist sch?n, dass das, was du reinpacken wolltest, auch wirklich nach au?en tritt. Das ist, finde ich, mit die gr??te Kunst. ?
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